2024-05-17 | Pressekonferenz
In einer einleitenden Rede gab Dr. Muharrem Kuzey, Vorstandsvorsitzender des DITB-Bundesverbandes einen kurzen Rückblick auf das vergangene Jahr nach dem Amtsantritt seit Februar 2023: „Tatsächlich hat unsere Amts-Periode gleich mit dem Jahrhundert-Erdbeben im Februar 2023 in der Region Türkei und Syrien begonnen. Wir haben viel Zeit, Energie und Ressourcen aufgewendet, um den betroffenen Menschen in dieser Region schnelle und zielgerichtete Hilfen zu ermöglichen. Es war eine intensive Zeit, die uns größtes menschliches Leid und unfassbare Zerstörung vor Augen führte. Und uns an unsere Grenzen des Erträglichen brachte. Ganz kurz zusammengefasst haben wir allein in den ersten Wochen als akute Nothilfe mit 82 LKWs und 12 Frachtflugzeugen 6.300 Stromgeneratoren, 500 WC-Kabinen, 400 portable Betten, 9.000 Schlafsäcke, 13.300 Bettdecken, 500 Rettungs- und Notfall-Zelte, Baby-Nahrung, Hygiene-Artikel und Winter-Kleidung geschickt. Zudem konnten wir 1.900 Wohncontainer und 3 voll ausgestattete mobile Küchen-Container errichten, wodurch zusätzlich während des Ramadans 2023 über 16.000 Menschen versorgt wurden.
Neben all diesen Herausforderungen hat der aktuelle Vorstand zum Juni 2023 letztes Jahr mit der Einigung zwischen DITIB und dem Architekturbüro Böhm den Rechtsstreit zum Moscheebau endgültig beigelegt und mit dem MOSQ-Festival gekrönt. Dieses Kunst- und Kulturfestival an der Zentralmoschee Köln besuchten mehr als 20.000 Menschen.
Als aktueller Bundesvorstand der DITIB haben wir uns ebenfalls zum Ziel gesetzt, die Anstrengungen in den Bundesländern auf dem Weg zur Anerkennung als Religionsgemeinschaft und als Körperschaft des öffentlichen Rechts, das die vorherigen Vorstände eingeleitet haben, auf eine neue Ebene und Professionalität zu heben. So konnten wir in den Klausurtagungen an den Wochenenden ab September 2023 bis Anfang dieses Jahres, mit all unseren Landesverbänden und unseren gesamten bundesweiten Moscheevorständen zusammenkommen, um den aktuellen Stand, die Entwicklungen und die Visionen diesbezüglich zu besprechen.
Vor Allem die Fokussierung auf religiöse, soziale und wohlfahrtliche Arbeiten stand im Vordergrund. So haben wir uns in unseren Dienst-Leistungen viel weiter aufgestellt. Ein Beispiel dafür ist unsere zweijährige DITIB-Weiterbildung zu hauptamtlichen islamischen Seelsorgern, die wir am 4. Juli mit der Zertifikatsübergabe abschließen werden.
Auch die Gründung des Wohlfahrtsverbandes Ihsan e.V. letztes Jahr war ein längst überfälliger Schritt, der bereits vor der Corona-Pandemie eingeleitet wurde.
Ein weiteres Beispiel ist unsere DITIB-eigene 2jährige Ausbildung für islamische Theologen zu Religionsbeauftragten für unsere Gemeinden, verkürzt auch Imam-Ausbildung genannt. Seit 2019 haben wir dafür bislang in zwei Lehrgängen 58 Theologinnen und Theologen weitergebildet. Dass es dabei nicht allein um theologische, sondern auch um sozio-kulturelle Inhalte und Erfahrungen geht, ist uns in unserem Konzept wichtig. So haben wir zum Abschluss des aktuellen Jahrgangs eine Bildungsreise unter der Überschrift „Gemeinsam unterwegs für Vielfalt“ realisiert, die geschichtliche Erfahrungen Deutschlands und Europas mit Menschenfeindlichkeit nicht einfach nur vermittelt, sondern emotional erfahrbar macht.
Und nur so, mit passgenauen Konzepten, können in Deutschland sozialisierte und ausgebildete Imame ausgebildet werden. Und eben diese passgenaue, bedürfnis- und gemeinde-orientierte Ausbildung von Theologen kann nur durch die Religionsgemeinschaften selbst organisiert werden. Alles andere wäre gegen das Selbstbestimmungsrecht einer Religionsgemeinschaft. Deshalb ist es mir, ist es uns, ist es dem DITIB-Verband wichtig, dass wir unsere eigenen Religionsbeauftragten und Imame entsprechend unseren Bedürfnissen und Erwartungsprofile selbst aus- beziehungsweise weiterbilden. Dazu gehört auch, dass die DITIB Fachaufsicht aller Religionsbeauftragten übernimmt.
Bereits im Dezember letzten Jahres konnten wir große Fortschritte verzeichnen und nun mit einer Vereinbarung zwischen dem Bundesministerium des Inneren und der Diyanet finalisieren.
Sie sehen, ein arbeits-intensives Jahr hinter uns liegt - und viele Arbeiten vor uns. Beispielsweise begehen wir dieses Jahr das 40jährige Bestehen der DITIB im Rahmen verschiedener Formate und Veranstaltungen.“
Daran anknüpfend ging Herr Dr. Altug, Abteilungsleiter für Gesellschaft und Zusammenarbeit, auf die wichtigsten Entwicklungen der DITIB näher ein. Von der Gründungsgeschichte, über Anpassungen der Satzungen und der Verbandsstrukturen, bis hin zu den Entwicklungen der Anerkennung als Religionsgemeinschaft in den Ländern Hamburg, Bremen und Hessen. Die Genese der DITIB-eigenen Imam-Ausbildung über das Internationale Theologieprogramm (UIP), der ersten Imam-Ausbildung in Dahlem beginnend ab 2019 hin zu den ersten Absolventen wurde darin nachgezeichnet und auf die neue Imam-Ausbildung übergeleitet.
Herr Eyüp Kalyon, Generalsekretär im DITIB-Bundesverband, schloss direkt an mit der Frage, warum es überhaupt einer Erweiterung der Imam-Ausbildung bedarf: „Wir prognostizieren für die nächsten Jahre, Jahrzehnte einen Bedarf, den wir mit den Bewerbern für unser Ausbildungsprogramm aus dem UIP-Studium und den Zentren für Islamische Theologie hier in Deutschland nicht decken können. Diese Ressourcen haben wir schon voll ausgeschöpft und brauchen neue Wege und Modelle, um zukünftig die religiösen Dienstleistungen in unseren Moscheegemeinden durch Religionsbeauftragte nicht nur kurzfristig, sondern vor allem auch langfristig sicher zu stellen.
Und deswegen, da wir diese Ressourcen hier in Deutschland nicht haben, müssen wir den Bedarf abdecken, indem wir Absolventen der islamischen Theologie aus der Türkei nach Deutschland holen. Und, um gleich die Frage vorweg zu nehmen, an unserem laufenden Imam-Ausbildungsprogramm in Dahlem, an dem auch Absolventen der islamischen Theologien hier in Deutschland teilnehmen können, wird sich nichts ändern. […] Derzeit haben wir ca. 1.100 bis 1.200 Religionsbeauftragte in ganz Deutschland. Davon sind ca. 250 in Deutschland aufgewachsene, deutschsprachige Theologen aus unserem UIP-Programm. Und DITIB knüpft an diese Entwicklung an. Es ist für uns insofern kein Neubeginn, sondern eine konsequente Ausweitung des Imam-Programms. Grundgedanke ist, dass wir Universitäts-Absolventen der islamischen Theologie aus der Türkei nach Deutschland holen und sie mit einer Bleibeperspektive für die Gemeindearbeit hier selbst ausbilden. Um auch das vorweg zu nehmen: Sie kommen nicht als Beamte oder Angestellte der Diyanet, sondern als Auszubildende unseres Verbandes. Das Auswahlverfahren der insgesamt 75 Absolventen der islamischen Theologie aus der Türkei erfolgt im November und das ausgeweitete Ausbildungsprogramm selbst startet dann Anfang 2025. Unser dritter Lehrgang besteht ja nach wie vor, sodass damit dann die Zahl 100 Imame zustande kommt.“
Diese erweiterte der Imam-Ausbildung dauert zwei Jahren, wobei im ersten Jahr vor allem intensive Deutsch- und Integrationskurse im Vordergrund stehen. Ab September haben die Absolventen der islamischen Theologie in der Türkei die Möglichkeit, sich über die DITIB-Akademie online anzumelden für dieses neue Modell der Imam-Ausbildung. Mindestvoraussetzung ist ein universitärer Abschluss der islamischen Theologie. Die Teilnehmer der erweiterten Imam-Ausbildung verpflichten sich, mindestens 10 Jahre in DITIB-Gemeinden tätig zu sein mit langfristiger Bleibeperspektive.
Anschließend konnten die Pressevertreterinnen und -Vertreter Fragen stellen und im Anschluss O-Töne von den entsprechenden Gesprächspartnern erhalten.
Mit dem Hinweis eines kommenden Presse-Termins zum 40jährigen Jubiläum der DITIB Mitte Juni endete diese Pressekonferenz.
Pressestelle
DITIB-Bundesverband