Freitagspredigt

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Die Hidschra

بِسْمِ اللهِ الْرَّحْمَنِ الْرَّحِيمِ

وَالَّذِينَ آمَنُواْ وَهَاجَرُواْ وَجَاهَدُواْ فِي سَبِيلِ اللّهِ وَالَّذِينَ آوَواْ وَّنَصَرُواْ أُولَئِكَ هُمُ الْمُؤْمِنُونَ حَقًّا لَّهُم مَّغْفِرَةٌ وَرِزْقٌ كَرِيمٌ

Bismillāhirrahmānirrahīm
[Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen]
“Die da glauben und auswandern und sich auf dem Wege Allahs mühen, sowie diejenigen, die (die Muhadschirin) aufnehmen und (ihnen) helfen, sie sind wahre Gläubige. Vergebung und reichliche Versorgung warten auf sie.”

[Sure Enfal, Vers 74]

Verehrte Muslime,

eine der wichtigsten Wendepunkte in der Geschichte der Menschheit ist die Hidschra, die Auswanderung unseres Propheten (saw) und seiner Gemeinde von Mekka nach Medina.

Das Wort Hidschra leitet sich ab vom arabischen Verb „aufgeben“, „verlassen“ oder „zurücklassen“. Die Hidschra steht für uns eigentlich nicht nur für den Vorgang dieses Verlassens. Sondern symbolisch auch für die Mühsal, die man auf sich aufgenommen hat, um den dīn, die Religion Allahs und Seine Botschaft an die Menschheit weiter zu geben. Dafür, dass man auf Allahs Wegen auf alles verzichten kann, was einem lieb und teuer ist. Sie ist uns auch ein Ausdruck für die Verbundenheit mit Allah und Seinem Gesandten. Ausdruck dafür, dass man für den Glauben jede Mühsal in Kauf nehmen kann.

Verehrte Gläubige,

an die zehn Jahre hat unser geliebter Prophet (saw) in Mekka den Islam verkündet. Zehn Jahre lang hat er hier versucht, die Mekkaner dazu zu bewegen, sich dem wahren Schöpfer zu ergeben. Anfangs haben die Mekkaner diese Einladung nicht sonderlich beachtet. Als die Zahl der Muslime jedoch zunahm, haben sie alle nur erdenklichen Repressalien ausgeübt, um das Licht des Islam zu ersticken. Der Spielraum wurde immer enger für die Muslime. Sie hatten immer mehr Probleme, ihre Religion auszuleben. Als dann der Befehl Allahs auf sie herabkam, zogen sie - so manche Mühsal in Kauf nehmend - nach Medina. Hier haben die Ensar ihre Brüder aus Mekka mit offenen Armen empfangen. Die geschwisterliche Verbundenheit, die sich in der Folgezeit unter ihnen herausgeformt hat, sucht bis heute ihres gleichen.

Folgende frohe Botschaft Allahs gilt den Auszüglern aus Mekka sowie den Ensar in Medina: “Die da glauben und auswandern und sich auf dem Wege Allahs mühen, sowie diejenigen, die (die Muhadschirin) aufnehmen und (ihnen) helfen, sie sind wahre Gläubige. Vergebung und reichliche Versorgung warten auf sie.” [1]

Verehrte Gläubige,

die Hidschra steht für den Schritt von der Dunkelheit ins Licht; für den Schritt in Richtung einer Zivilisation. Sie ist nicht etwa ein Wegrennen, sondern vielmehr eine Wiedergeburt. Eine Erfolgsgeschichte des Glaubens, der mit seiner Kraft gesiegt hat über andere, materielle Kräfte. Und schließlich steht sie auch für Solidarität, Teilen, Freundschaft und Aufgeschlossenheit. Wir sehen in der Hidschra auch die Bereitschaft der ersten Muslime, für ihren Glauben Opfer einzugehen.

Verehrte Gemeinde,

die Hidschra ist eine der Wege, die Muslime befolgen, wenn sie ihren Glauben nicht mehr ausleben können dort, wo sie leben. So heißt es hierzu im Koran: „Wer auf dem Wege Allahs auswandert, wird viele Orte finden auf Erden, wohin er sich begeben kann.“ [2] Im Auswandern oder Verlassen liegt also Heil. Und unser Prophet (saw) ließ uns wissen, dass die Hidschra nicht nur als Bewegung in der Materie zu verstehen ist, sondern der Gläubige auch gleichzeitig geistig in sich gehen muss. So sagte unser Prophet einst: „Der wahre Muhadschir ist der, der das verlässt, was Allah verboten hat und sich von diesen Dingen abwendet.“ [3]

Auch wir sollten daher dieser Botschaft des Gesandten folgen und das Verbotene verlassen, uns abwenden von dem, das hässlich ist. Uns haqq, dem Wahren und der Wahrheit, hinwenden, statt den unwahren und abergläubischen (batil) Dingen sowie den Neuerungen (bidat) hinterher zu rennen. Nur so begehen wir stets unsere eigene Hidschra. Dieses Verlassen oder Ablassen möge uns sodann führen zu unserem wahren Sein als Diener, zu Gehorsam und Gottesdiensten…

[1] Enfal, 8/74.
[2] Nisa, 4/100.
[3] Abu Dawud, “Sunna”, 14.

Huriye AKBIYIK
Religionsbeauftragte der Zentralmoschee in München
2013-11-01    


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