Freitagspredigt

Die Bedeutung der Zeit

بِسْمِ اللهِ الْرَّحْمَنِ الْرَّحِيمِ

وَالْعَصْرِ {۱} إِنَّ الْإِنسَانَ لَفِي خُسْرٍ {٢} إِلَّا الَّذِينَ آمَنُوا وَعَمِلُوا الصَّالِحَاتِ وَتَوَاصَوْا بِالْحَقِّ وَتَوَاصَوْا بِالصَّبْرِ {۳}


Bismillāhirrahmānirrahīm
[Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen]
“Bei der Asr-Zeit. Die Menschen sind wahrhaft in Verderbnis. Ausgenommen jene, die glauben und einander das Gute wie die Geduld anraten.”

[Sure Asr, Vers 1-3]


Verehrte Muslime,

Allah Taʿālā gab dem Menschen unzählige Gaben. Die wichtigste unter diesen ist die Zeit. Denn das Leben selbst ist Zeit, die wir leben. Sie ist uns das wichtigste Kapital hierfür. In manchen Koranversen beginnt Allah Taālā Sein Wort daher mit einem Schwur auf die Zeit, um uns auf die Bedeutung selbiger hinzuweisen. Er schwört auf den frühen Morgen (wad-duhāʾ), auf die Sonne (wasch-schams), den Mond (wa-l-qamar), den Sonnenaufgang (wa-l-fadschr). Die wichtigsten Gottesdienste wie das rituelle Gebet, das Fasten, die Zakat-Steuer und der Hadsch sind an bestimmte Zeiten gebunden. Dies soll uns ebenfalls die Bedeutung der Zeit vor Augen führen.

Verehrte Gläubige,

mit jeder Minute, die vergeht, rinnt uns auch unsere Lebenszeit davon. Wir sollten daher jeden Moment im Bewusstsein hierüber verbringen und uns (in dieser Zeit) vorbereiten auf den Tag, da wir Rechenschaft ablegen müssen. So geheißt uns Allah im Koran: “Bei der Asr-Zeit. Die Menschen sind wahrhaft in Verderbnis. Ausgenommen jene, die glauben und einander das Gute wie die Geduld anraten.” [1] Und mit diesen Worten, die Allah Taʿālā auch hier wieder einleitet mit einem Schwur auf eine bestimmte Tageszeit - nämlich die Abendzeit -, weist Er uns darauf hin, dass jede vergeudete Sekunde für den Menschen ein Verlust ist. Wer jedoch in der Lebenszeit, die ihm gegeben ist, glaubt, gute Taten verrichtet und zum Guten wie zur Geduld anrät, der münzt diese Zeit um in Gewinn und sorgt für seine Glückseligkeit im irdischen, wie später im jenseitigen Leben. So ist der Gläubige auch daran zu erkennen, dass er sich um die Bedeutung der Zeit bewusst ist. Auf diesen Umstand weist uns auch der Koran hin, wenn es hier heißt: “Und die Gläubigen, sie sind diejenigen, die sich abwenden von nutzlosen Dingen und sinnlosem Gerede.” [2]

Gläubige sollten daher ihre Zeit gut einplanen. Für den Tag, die Woche, den Monat bzw. das ganze Jahr sich jeweils Ziele stecken und hierdrin für Gottesdienste, die Arbeit, Ruhephasen und andere wichtige Dinge jeweils eine bestimmte Zeit einplanen. Sie sollten sich für Familie und Verwandte, aber auch für Freunde und Nachbarn Zeit nehmen und stets im Leben trachten nach dem, das gut und Wohl bringend ist. Sich Persönlichkeiten zum Vorbild nehmen, die mit ihrem Wissen und ihrem Können die Geschichte der Menschheit beeinflusst haben. Sich bilden, weiterbilden, studieren und forschen, um ebenfalls Fortschritt und Erfolg des Menschen beizutragen.

Verehrte Gläubige,

das Erste, wonach wir beim Jüngsten Gericht gefragt werden, wird die Zeit sein, die wir auf Erden verbracht haben. Wir werden gefragt, wie wir diese genutzt, womit wir sie zugebracht haben. Ziele und Prioritäten sollten daher im Bewusstsein hierum gesetzt werden, um die Zeit nicht zu verschwenden. Und wer sich erst des Wertes seiner Zeit bewusst ist, der wird sich kaum hinter Ausreden verstecken wie „ich habe keine Zeit dazu“, „es ist noch Zeit“ oder „das mache ich später“.

In diesem Sinne gemahnte uns auch der Prophet (saw): „Zwei Gaben gibt es, denen sich der Mensch nicht richtig bewusst ist. Die eine ist die Gesundheit und die andere die Zeit.“ [3] Wir sollten daher Gaben wie die Jugend, die Gesundheit, Reichtum und schließlich das Leben selbst nicht vergeuden. Stundenlang etwa Zeit verschwenden bei Glücksspiel oder mit anderen Dingen bzw. an anderen Orten, die der Islam nicht gut heißt. Wer hier und andernorts mit sinnlosen Dingen, die uns zudem verboten (harām) sind, seine Zeit verschwendet, stürzt sich und sein Glück im Dies- wie im Jenseits mit eigenen Händen ins Verderben.

Verehrte Brüder und Schwestern,

wir sollten uns daher bemühen, alles - und hier besonders unsere Gottesdienste - bei Zeiten und richtig zu erledigen. Wir müssen bedenken: der gestrige Tag ist nun vorüber. Was der morgige uns bringt, wissen wir nicht. Bleibt uns einzig die Gegenwart, der jetzige Moment. Und er ist uns die wertvollste Zeit in unserem Leben. So schiebt nicht auf die Aufgaben und Pflichten von heute auf morgen!

Und so will ich die heutige Predigt beenden mit einem Hadis des Propheten (saw): „Wisset zu schätzen die Jugend, bevor das Alter euch ereilt. Die Gesundheit, vor der Krankheit. Und die freie Zeit, bevor ihr dann stark beschäftigt seid.“ [4]

[1] Asr, 112/1-3.
[2] Mu’minūn, 3.
[3] Buchārī, Riqaq, 1.
[4] Buchārī, Riqaq, 3; Tirmizī, Zuhd, 25.

Enver Polatoğlu
Religionsbeauftragter der DITIB-Eyüp Sultan Moschee in Frankfurt/Höchst
2013-05-03    


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