Freitagspredigt

Mit guten Menschen beisammen sein


بِسْمِ اللهِ الْرَّحْمَنِ الْرَّحِيمِ

يَآ اَيُّهَا الَّذِينَ اٰمَنُوا اتَّقُوا اللّٰهَ وَكُونُوا مَعَ الصَّادِقِينَ


Bismillāhirrahmānirrahīm
[Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen]
“O ihr, die ihr glaubt! Habt Ehrfurcht vor Allah und seid mit den Aufrichtigen.”


[Sure Tawba, Vers 119]

Verehrte Gläubige,

Allah Taālā gemahnt uns im Koran, mit denen zu sein, die fest sind im Glauben und damit in Wort und Tat nicht weichen vom wahren Weg. So heißt es hier: “O ihr, die ihr glaubt! Habt Ehrfurcht vor Allah und seid mit den Aufrichtigen.” [1] Auch die Hadise unseres Propheten (saw) fordern uns hierzu auf wenn es hier heißt: “Ein guter Freund ist besser als die Einsamkeit und die Einsamkeit (wiederum) besser als ein schlechter Freund. Wer gute Freunde hat, ist, als wäre er mit Dufthändlern zusammen. Deren Duft wird sich sicher auf ihn übertragen. Und wer schlechte Freunde hat, ist, als wäre er mit dem Gesellen eines Schmiedes beisammen. Dessen Schmutz wird auf ihn abfärben.” [2] - “Der Mensch folgt in seiner Religion (seiner Frömmigkeit) derjenigen seines Freundes. Deshalb sollte er darauf achten, mit wem er Freundschaft schließt.” [3] - “Der Mensch ist mit denen, die er liebt.” [4] - “Gläubige sind einander ihr Spiegelbild.” [5] - “Gläubige stützen einander, wie die Bausteine eines Gebäudes einander stützen.” [6]

Verehrte Brüder und Schwestern,

der Mensch nimmt die Gewohnheiten und Handlungsmuster der Menschen an, mit denen er sich abgibt. Ist er mit den Guten zusammen, so wird selbst ein schlechter Mensch zu einem guten Menschen. Denn die Bittgebete der guten Menschen und die Wirkung, die ihre weisen Worte und Taten bei diesem hinterlassen, lassen bestimmt auch ihn zu einem guten Menschen werden.

Ist er aber mit den Schlechten zusammen, so wird selbst aus einem guten Menschen ein schlechter Mensch. Denn wer sich mit schlechten Menschen abgibt, die schwach im Charakter sind und unmoralisch, zeugt damit nicht gerade von seiner Sensibilität in religiösen Fragen. Daher sollten Gläubige darauf acht geben, mit wem sie Umgang haben. So lebensnotwendig wie Nahrung und so Heil bringend wie ein Heilmittel sollten die Menschen sein, mit denen sie sich umgeben. Und nicht etwa sie runterziehen in Strudel, die ihnen nur den sicheren Untergang bringen.

Verehrte Gläubige,

auch der Universalgelehrte Imam Ghazālī widmete sich in einer seiner Hauptwerke diesem Thema. Er formulierte hier: “Selbt tugendhafte Menschen bei Verstand können sich nur schwerlich von den negativen Einflüssen ihrer Umgebung schützen. Der Mensch sollte sich daher nicht mit schlechten Menschen abgeben. Denn ist er erst einmal mit diesen zusammen, so wird er sich mit der Zeit an all die Dinge, die ihm anfangs zuwider waren, gewöhnen und seine Abneigung dagegen verlieren.” [6]

Starke Persönlichkeiten können also nach Ghazali ihre Mitmenschen beeinflussen. Sie gleich eines Magneten in ihren Bann ziehen. Unsere Sinneswahrnehmungen, unsere Innenwelt, das Handeln und schließlich unser Ich werden also (mit-)geformt von unseren Mitmenschen, zumal sie starke Persönlichkeiten sind. Und gerade unser Sein in Gesellschaft bringt es sicher mit sich, dass wir uns - im Guten oder im Schlechten - ungemein von unseren Mitmenschen und deren Innenwelt beeinflussen lassen. Fröhliche Menschen in unserer unmittelbaren Umgebung werden sicher auch uns fröhlich stimmen. In der Nähe von Gelehrten werden wir sicher um Einiges erfahrener. Ein guter Künstler um uns wird sicher unseren Blick für die Feinheiten der Kunst schärfen usw.

Verehrte Muslime,

wir alle sind geschaffen, damit wir unserem Schöpfer dienen. Bei der Erfüllung dieser Aufgabe brauchen wir alle charakterstarke Persönlichkeiten um uns, die uns mit ihrem Wissen und ihrer Ethik als Vorbilder dienen können. Denn in dem Maße, in dem der Mensch seinen Körper mit Nahrung verpflegen muss, muss er auch seine Seele nähren. Denn wie bei Mawlana Dschalāl ad-Dīn Rūmī zutreffend formuliert: “Seine Seele zieht den Menschen in das Viertel der Herzensmenschen und der Erfahrenen (derjenigen, die das Erfahren Allahs suchen). Der Körper jedoch will ihn in Wasser und Schlamm sperren.”

Wir alle sind als Menschen unterschiedlichster Art und von unterschiedlichstem Charakter. So unterschiedlich - und hier auch von unterschiedlichster Zugehörigkeit - wir aber auch sind. Es eint uns doch unsere Hauptzugehörigkeit. Nämlich diejenige zum Islam. Und in diesem Sein als Geschwister im Islam mögen wir alle zu den frommen und rechtschaffenen Menschen gehören, die dem Koran dienen, die sich ihm verschrieben haben. Die dem Charakter des Propheten (saw) nacheifern und mit alledem dazu beitragen, dass in unserer unmittelbaren Umgebung und in unserer Gesellschaft insgesamt Wohl und Heil herrschen.


[1] Tawba, 9/119.
[2] Buchārī, Zebāih, 31, Buyū’, 38; Muslim, Birr, 146; Abū Dāwud, Adab, 16.
[3] Tirmizī, Zuhd, 45.
[4] Buchārī, Adab, 96; Muslim, Birr, 165; Tirmizī, Zuhd, 50, Da’avāt, 98 .
[5] Abū Dāwud, Adab, 49.
[6] Buchārī,, Mezālim, 5, Salāt, 88; Tirmizī, Birr, 18.
[7] Gazālī, Ihyā Ulūmi’d-Dīn, Dāru’l-Dschīl, Beirut 1412/1992, Bd.II, S. 332.

Emre ŞIMŞEK
Religionsbeauftragter der Kölner Zentralmoschee

2012-12-21    


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