Freitagspredigt

Die Würde des Menschen und seine Rechte

بِسْمِ اللهِ الْرَّحْمَنِ الْرَّحِيمِ

يَا اَيُّهَا الَّذِينَ اٰمَنُوا لَا تَأْكُلُوا اَمْوَالَكُمْ بَيْنَكُمْ بِالْبَاطِلِ اِلاَّ اَنْ تَكُونَ تِجَارَةً عَنْ تَرَاضٍ مِنْكُمْ وَلَا تَقْتُلُوا اَنْفُسَكُمْ اِنَّ اللّٰهَ كَانَ بِكُمْ رَحِيما

Bismillāhirrahmānirrahīm

[Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen]
„O ihr, die ihr glaubt! Vertilgt euren Besitz unter euch nicht zu Unrecht. Anders sieht es aus bei einem einvernehmlichen Handel zwischen euch. Und vernichtet euch nicht. Wahrlich, Allah ist barmherzig mit euch.“

[Sure Nisā, Vers 29]



Verehrte Gläubige,

Allah hat den Menschen mit Eigenschaften ausgestattet, wie sonst kein anderes Geschöpf. So ist er in Körper und Geist auf das Vollkommenste erschaffen. Und darüber hinaus auch mit Verstand ausgestattet.

Die Schöpfung des Menschen wird im Koran in ihren Phasen beschrieben: Nach der ersten Phase, in der er auf die schönste Weise erschaffen wurde, hat Allah dem Menschen „von Seiner eigenen Seele“ eingehaucht. Und danach ließ Er die Engel sich vor dem Menschen niederwerfen. Alles auf Erden und in den Himmeln hat Allah wieder ihm, dem Menschen, zur Verfügung gestellt. Die Himmel hat er wieder für ihn mit Sternen geschmückt. Und die Erde erschaffen so zugänglich, dass er sich hier ausruhen kann wie auf einem Bett. Zu essen und zu trinken gab Er ihm, in Hülle und rein. Und die Natur hat Er wieder so ausgeschmückt und mit Zierden bestückt, dass sie dem Auge des Menschen eine Wonne ist. Derart hat Allah alles in den Dienst des Menschen gestellt, und ihn, den Menschen, wiederum erschaffen, damit er Ihm diene. Und diesen Wert, dem ihm sein Schöpfer mit alledem beigemessen hat, bewahrt sich der Mensch wiederum selbst, wenn er Ihm auch gebührend dient.

Verehrte Brüder und Schwestern,

jeden Menschen hat Allah mit dieser besonderen Hingabe erschaffen – nicht nur uns. Gleich welcher Sprache, Religion und Hautfarbe, welchen Geschlechts oder sozialen Rangs: ein jeder Mensch ist ein Diener und der Herr dieses Dieners ist Allah. Aus diesem Grunde sprechen die islamischen Quellen von den „Rechten des Dieners“, wenn sie die Rechte des Menschen meinen. Und wer keinen Respekt hat vor diesen „Rechten des Dieners“, der hat auch keine vor dessen Herrn!

Jeder Mensch hat das Recht auf Leben. Das Leben des Menschen ist unantastbar. Wer ein Menschenleben auslöscht, gilt, als hätte er die ganze Menschheit ausgelöscht. Und wer ein Menschenleben erhält, gilt, als hätte er die gesamte Menschheit erhalten. So heißt es hierzu im Koran: „Wer ein Leben auslöscht, das nicht selbst ein Leben ausgelöscht oder Unheil angerichtet hat auf Erden, gilt, als hätte er die ganze Menschheit getötet. Und wer ein Leben erhält, gilt, als würde er die ganze Menschheit am Leben erhalten.“ [1]

Und jeder Mensch hat das Recht auf Besitz. Der Koran gemahnt uns hierzu wie folgt: „O ihr, die ihr glaubt! Vertilgt euren Besitz unter euch nicht zu Unrecht. Anders sieht es aus bei einem einvernehmlichen Handel zwischen euch. Und vernichtet euch nicht. Wahrlich, Allah ist barmherzig mit euch.“ [2]

Und die Würde des Menschen ist unantastbar. Handlungen, die den Menschen herabwürdigen, gehören zu den Sünden, die nach dem Islam strengstens bestraft werden. Dazu gehören das Lügen, üble Nachrede, Verleumdung, Beleidigung und das belegen mit unschönen Spitznamen.

Jeder Mensch hat ferner das Recht auf seinen Glauben und diesen zu leben, solange er damit nicht die Rechte anderer Menschen übertritt. Der Koran lässt uns dazu wissen, dass Allah das Wahre vom Falschen getrennt habe. Und dass ein jeder danach glauben könne, wenn er will, oder aber auch leugnen. Wer allerdings danach die Wahrheit anerkennt, auf den wartet das Paradies und wer leugnet, die Hölle. Keiner könne gezwungen werden den Islam anzunehmen. Die Aufgabe des Propheten (saw) sei es lediglich den Menschen die Wahrheit zu verkünden.

Verehrte Gläubige,

zu den Menschenrechten zählen wir im Islam auch die „Rechte des Gemeinwesens“. Auf diese müssen wir besonders achten.

Manchmal nutzen wir als Gemeinwesen bestimmte Dinge gemeinsam: Öffentliche Parkanlagen, Straßen, Verkehrsmittel aber auch andere Güter. Wir müssen dabei darauf achten, diese nicht zu beschädigen, da sie wieder mit Mitteln des Gemeinwesens bereitgestellt wurden. Dazu gehört auch, dass wir z.B. mit Wasser und Energie sparsam umgehen. Schließlich gehören diese Quellen nicht uns alleine. Die Rechte des Gemeinwesens verletzen wir insbesondere, wenn wir durch Falschaussagen, unverdientermaßen, an staatliche Leistungen kommen. Dies wäre eine Schuld, die wieder zu begleichen uns sehr schwer fallen dürfte, im Dies- wie im Jenseits. Hüten wir uns also alle davor, diese Rechte zu verletzen und uns damit Schuld aufzuladen. Und in der Gesellschaft, in der wir leben, würde der Preis für einen solchen Fehltritt sicher noch schwerer ausfallen. Denn mit all unserem Tun und Handeln repräsentieren wir hier auch gleichzeitig den Islam. Nichts sollte uns so wichtig sein, dass wir dafür riskieren, den Islam in einem schlechten Licht darzustellen - und damit das Vertrauen der Menschen in den Islam und die Muslime zu verspielen.

Die heutige Ansprache möchte ich an dieser Stelle beenden mit einem Auszug aus der Abschiedspredigt unseres Propheten (saw). Im Laufe der Jahrhunderte hat sie in Bezug auf die Menschenrechte noch an Bedeutung und Wert zugewonnen: „O ihr Menschen! So, wie diese Tage heilige Tage sind, diese Monate heilige Monate, und diese Stadt (Mekka) eine gesegnete Stadt ist, so sind auch heilig euer Leben, euer Besitz und eure Ehre. Sie sind vor jedweden Übergriffen geschützt.“ [3]

[1] Māida, 5/32.
[2] Nisā, 4/29.
[3] Muslim, Hadsch 19; Tirmizī, Fiten 2; Ibn Mādscha, Fitan 2.

Ibrahim ŞENTÜRK
Religionsbeauftragter der DITIB Zentralmoschee in Bonn

2012-12-07    


Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form ohne schriftliche Genehmigung der DITIB reproduziert, vervielfältigt oder verarbeitet werden.

Archiv 2007-2008  | 2009-2010