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2023-06-27 | Botschaft

Botschaft zum Opferfest

Feiertage sind besondere Zeitabschnitte, in denen unsere Freude zunimmt. Die Feiertage sind die Tage des Erinnerns, des Wiedergutmachens von Kränkungen und der Aufrechterhaltung unserer Geschwisterlichkeit. Anlässlich der Festtage erinnern wir uns an manche der Maßstäbe, die wir vernachlässigt haben; wir besinnen uns auf unsere Werte von Verwandtschaft, Nachbarschaft und Brüderlichkeit. Wir besuchen unsere Ältesten persönlich und verneigen uns vor ihnen, wir rufen unsere entfernten Bekannten an und bauen Brücken zwischen den Herzen. Wir vernachlässigen niemals unsere Kinder, denen das Fest eigentlich gehört, und versuchen, uns an ihrer Freude zu erfreuen und ihre Freude zu teilen. Wir erinnern uns an unsere Vergangenheit und gedenken wohlwollend an unsere Lieben, die dieses Fest nicht miterleben konnten, und wir beten zum erhabenen Allah, dass Er uns im Jenseits mit unseren Lieben zusammenbringt und uns das wahre Fest im Paradies genießen lässt.

Die Opfergabe ist einer der wichtigsten symbolischen Gottesdienste des Islam, ein uralter Gottesdienst, der bis in die frühe Geschichte der Menschheit zurückreicht. Der Opfergottesdient ist kein einfacher und gewöhnlicher Begriff, der mit einem oder zwei Worten erklärt werden kann, sondern ein Konzept, das tiefe Konnotationen besitzt. Seine Wurzeln reichen bis in die frühesten Zeiten der Menschheit zurück und beinhaltet eine breite Palette von Bedeutungen. Wenn von „Opfer“ die Rede ist, entstehen viele verschiedene Assoziationen in den Köpfen. Eine der wichtigsten dieser Assoziationen ist die „Freiwilligkeit“. Wie bei jedem Gottesdienst ist auch bei der Opfergabe das „Herz“ bzw. „Herzblut“ unerlässlich. Der Held der berühmten Opfergabe zwischen den Kindern von Adam (s) und Eva vor langer Zeit war Abel, der diesen Gottesdienst mit ganzem Herzen ausführte. Bekanntlich wird ein Werk, worin Herzblut steckt, vom erhabenen Allah, der die intimsten Geheimnisse der Herzen kennt, wertgeschätzt.

Wenn von „Opfergabe“ die Rede ist, kommt „Frömmigkeit/Sensibilität“ in den Sinn. Mithilfe des Gebotes zum Opfergottesdienst werden wir noch verantwortungsbewusster, sensibler und bewusster werden. Wir betrachten Opfertiere als ein spirituelles Mittel, das unsere Frömmigkeit (Taqwa) steigert und uns auf diesem schwierigen und beschwerlichen Weg bestärkt, sowie uns zur Barmherzigkeit des Barmherzigen führt. Wir fühlen mit den Opfertieren mit und betrachten den von den Opfertieren getätigten förmlichen Zuruf: „Widmet euch nur Allah“ als die wichtigste Botschaft, die wir in unserem Leben erhalten. Wir wissen sehr wohl, dass weder das Fleisch noch das Blut von den Opfertieren Allah erreichen[1] wird, und wir suchen nach Formeln, um unsere Frömmigkeit (Taqwa), die Allah erreichen wird, zu steigern.

Wenn das Wort „Opfergabe“ erwähnt wird, bringen wir die Familie Abrahams (s) auf unsere Tagesordnung. An den Opferfesttagen stellen wir unsere Väter - symbolisch - an die Stelle von Abraham, unsere Mütter an die Stelle von Hagar und unsere Kinder an die Stelle von Ismael. Wie jeweils Ismael auf sein Leben, Abraham auf seinen liebsten Sohn und Hagar auf alles, wofür sie Lebenslang gekämpft hatte, um Allahs Willen verzichteten, versuchen wir uns das Bewusstsein des Verzichts anzueignen.

Ein weiterer Begriff, das uns in den Sinn kommt, wenn wir an „Opfergabe“ denken, ist auch Hoffnung. Der Mensch lebt mit der Hoffnung. Wenn er die Hoffnung verliert, verliert er alles. In verschiedenen Gegenden der Welt bedeutet das Opferfest („Eid al-Adha“) zugleich „Fest der Hoffnung“. Wir verteilen am „Opferfest“ nicht nur Fleisch. Wir verteilen mehr Hoffnung, Barmherzigkeit und Lächeln als bloßes Fleisch.

Wenn von „Opfergabe“ die Rede ist, kommt uns „infaq“ (Spende um Allahs Willen) in den Sinn. So fragte unser Prophet (s) seine Frau Aisha am Opferfest: „Was ist für uns vom Opfertier übrig geblieben?“ Als unsere Mutter Aisha sagte, dass nur noch ein Schulterblatt vom Opfer übrig sei, vertraute unser Prophet seiner Frau im Besonderen und seiner ganzen Ummah im Allgemeinen die folgenden Worte an und brachte damit zum Ausdruck, dass eigentlich das, was wir mit anderen teilen, uns gehört und nicht das, was wir selbst verzehren: „Sag doch Aisha, dass alles bis auf ein Schulterblatt uns gehört!“[2]

Wenn das Wort „Opfergabe“ erwähnt wird, kommt uns „Teilen“ in den Sinn. Als Türkisch Islamische Union (DITIB) erleben wir die Freude, unseren Brüdern und Schwestern in Dutzenden von Ländern und Hunderten von Regionen mit der „Organisation der Opfergabe in Stellvertretung“ zu dienen, die wir zusammen mit der Türkischen Religionsstiftung (TDV) unter dem Motto „Teile deine Opfergabe, nähere dich deinen Geschwistern“ ins Leben gerufen haben.  Auch in diesem Jahr werden wir die von ihnen durch Vollmachtserteilung gespendeten Opferanteile mit großer Selbstlosigkeit an Millionen von Familien ausliefern. Wieder werden wir das Glück erleben, gemeinsam Bittgebete für andere zu sein und deren Bittgebete anzuregen. In diesem Jahr wollten wir die Freude des „Opferfestes“ mit unseren vom Erdbeben betroffenen Geschwistern vor Ort erleben, indem wir eine besondere Opferspendenaktion speziell für unsere bedürftigen Geschwister in den Erdbebengebieten in der Türkei und in Syrien ins Leben gerufen haben. Persönlich und im Namen meiner Gemeinde möchte ich all unseren Geschwistern, die auf uns vertrauend ihre Opfergaben überreicht haben, meinen herzlichen Dank aussprechen.

Am Morgen des Mittwochs, 28.06.2023 werden wir mit großem Enthusiasmus das Festtagsgebet verrichten und anschließend vier Tage lang das Opferfest begehen. Ich wünsche vom erhabenen Allah, dass das Opferfest Wohl und Gutes für die gesamte islamische Welt und die gesamte Menschheit bringen möge. Ich wünsche von Allah, dem Eigentümer aller Welten, dass das Opferfest Frieden und Glück für unsere innere Welt, unsere Haushalte, unsere Nachbarn, mit denen wir die gleiche Straße, das gleiche Viertel und das gleiche Dach teilen, sowie für unser Land und unsere Welt bringen möge.


Dr. Muharrem Kuzey
DITIB Bundesvorsitzeder

 

[1] Koran, al-Hadsch, 22/37.
[2] Tirmidhi, Qiyama, 33.